Im Rahmen der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts hat der Gesetzgeber eine
Neufassung des § 1358 ins Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt *1). Die Regelung tritt am 01.01.2023 in
Kraft.
Nach Absatz 1 gilt dann:
Kann ein Ehegatte, aufgrund von Bewusstlosigkeit oder einer Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen (vertretener Ehegatte), ist der andere Ehegatte (vertretender Ehegatte) berechtigt, für den zu vertretenden Ehegatten
1. über Untersuchungen des Gesundheitszustandes, über Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe zu entscheiden sowie ärztliche Aufklärungen entgegenzunehmen,
2. Behandlungsverträge, Krankenhausverträge oder Verträge über eilige Maßnah men der Rehabilitation und der Pflege abzuschließen und durchzusetzen,
3. über Maßnahmen nach § 1831 Absatz 4 *2) zu entscheiden, sofern die Dauer der Maßnahme im Einzelfall sechs Wochen nicht überschreitet, und
4. Ansprüche, die dem vertretenen Ehegatten aus Anlass der Erkrankung gegenüber Dritten zustehen, geltend zu machen und an die Leistungserbringer aus den Verträgen nach Nummer 2 abzutreten oder Zahlung an diese zu verlangen.
Dieses Notvertretungsrecht gilt also (ab 01.01.2023) nur für Ehepartner, nicht für Eltern im Hinblick auf ihre volljährigen Kindern, nicht für Kinder mit Blick auf ihre Eltern, nicht für Verlobte untereinander und auch nicht für Lebenspartnerschaften. Die Zeit läuft! Wer nicht möchte, dass sein Ehegatte ihn in einem solchen Fall – vorübergehend – vertritt, wofür es gute Gründe geben kann, weil das nötige Vertrauen dazu nicht (mehr) vorhanden ist oder wer den anderen Ehegatten mit dieser Entscheidungsbefugnis nicht belasten mag, weil dieser womöglich gesundheitlich selbst gar nicht in der Lage ist oder aus anderen Gründen, der sollte die Zeit bis zum 31.12.2022 nutzen und eine entsprechende Vorsorgevollmacht abfassen. Deshalb unter anderem hat der Gesetzgeber die Vorschrift bereits am 12.05.2021 verabschiedet, sie aber erst mehr als eineinhalb Jahre später in Kraft treten lassen.
Nach Absatz 2 sind unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 und hinsichtlich der dort genannten Angelegenheiten behandelnde Ärzte gegenüber dem vertretenden Ehegatten von ihrer Schweigepflicht entbunden. Dieser darf die entsprechenden Krankenunterlageneinsehen und ihre Weitergabe an Dritte bewilligen.
Das Notvertretungsrecht wird in Absatz 3 eingeschränkt:
Die Berechtigungen nach den Absätzen 1 und 2 bestehen nicht, wenn
1. die Ehegatten getrennt leben,
2. dem vertretenden Ehegatten oder dem behandelnden Arzt bekannt ist, dass der vertretene Ehegatte a) eine Vertretung durch ihn in den in Absatz 1 genannten Angelegenheiten ab-
lehnt oder b) jemanden zur Wahrnehmung seiner Angelegenheiten bevollmächtigt hat, soweit diese Vollmacht die in Absatz 1 bezeichneten Angelegenheiten umfasst,
3. für den zu vertretenden Ehegatten ein Betreuer bestellt ist, soweit dessen Aufga benkreis die in Absatz 1 bezeichneten Angelegenheiten umfasst, oder
4. mehr als sechs Monate seit dem durch den Arzt nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 festgestellten Zeitpunkt vergangen sind *3).
Während der Dauer des sechsmonatigen Vertretungsrechts hat der vertretene Ehegatte Gelegenheit, beim zuständigen Amtsgericht (Betreuungsgericht) die Einrichtung einer Betreuung auf Dauer anzuregen.
Nicht ausgeschlossen ist, dass der getrennt lebende Ehegatte die Person ist, die das größte Vertrauen genießt und bestens geeignet ist, die Notvertretung zu übernehmen. Das Notvertretungsrecht geht dann aber nicht per Gesetz über, sondern nur auf Grund einer Vorsorgevollmacht.
Welche Aufgabe haben behandelnde Ärzte?
Nach Absatz 4 hat der Arzt, gegenüber dem das Vertretungsrecht ausgeübt wird,
1. das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 und den Zeitpunkt, zu dem diese spätestens eingetreten sind, schriftlich zu bestätigen,
2. dem vertretenden Ehegatten diese Bestätigung mit einer schriftlichen Erklärung über die Voraussetzungen nach Absatz 1 und Ausschlussgründe nach Absatz 3
vorzulegen und
3. sich von dem vertretenden Ehegatten schriftlich versichern zu lassen, dass
a) das Ehegattenvertretungsrecht wegen der Bewusstlosigkeit oder Krankheit, aufgrund derer der Ehegatte seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen kann, bisher nicht ausgeübt wurde und
b) kein Ausschlussgrund für das Vertretungsrecht vorliegt.Das Dokument ist dem vertretenden Ehegatten für die weitere Ausübung der Vertretungsberechtigung auszuhändigen.
Gemäß Absatz 5 darf das Vertretungsrecht nach Absatz 1 ab der Bestellung eines Betreuers, dessen Aufgabenkreis die dort bezeichneten Angelegenheiten umfasst, nicht mehr ausgeübt werden, selbst wenn die Dreimonatsfrist noch nicht abgelaufen ist.
Eine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung bleiben trotz des Notbetreuungsrechts wichtig,
um im Ernstfall selbstbestimmt leben zu können. Denn hierin können nicht nur medizinische
Fragen geregelt werden. Auch für Finanzen, Versicherungen, Rechtsgeschäfte, Wohnangelegen-
heiten und andere Bereiche können damit Menschen des Vertrauens bevollmächtigt werden.
Vordrucke können im Internet unter anderem unter www.bmj.de/Publikationen/Formulare,
Muster und Vordrucke heruntergeladen werden.
1) BGBI. I S. 882 vom 04.05.2021
2) Dabei handelt es sich um freiheitsentziehende Maßnahmen wie die die Fixierung.
3) Die Regelungen in Abs. 3 sind unvollständig. Deshalb hat der Verfasser folgende Ergänzung
angeregt: Die Berechtigungen nach den Absätzen 1 und 2 bestehen nicht, wenn „der
vertretungsberechtigte Ehegatte durch vorsätzliches Tun oder Unterlassen die Bewusstlosigkeit oder
Krankheit des zu vertretenden Ehegatten verursacht oder daran mitgewirkt hat.“